Freitag, März 21, 2008

Thrice - The Alchemy Index Vol. I & II: Fire & Water

THRICE (v.l.n.r.):
Eddie Breckenridge, Teppei Teranishi, Dustin Kensrue, Riley Breckenridge

Wer (wie ich) dachte, dass "Vheissu" die vertonte Perfektion sei und der Nachfolger völlig im Schatten dieses erhabenen Stückes Musik verschwinden würde, der- oder diejenige dürfte sich nach den ersten Hördurchläufen von "The Alchemy Index" in seiner/ihrer Vermutung bestätigt fühlen. Zu sehr haben sich die unmenschlich perfekten Kompositionen, die (wirklich!) Atem raubende Stimme von Dustin Kensrue und die aus einer anderen Galaxie zu stammen scheinenden Harmonien und Melodien in die Synapsen eingebrannt. Schon die Bekanntgabe, dass THRICE an einem neuen Album arbeiten, ließ mich schlucken, da ich mir partout nicht vorstellen konnte (oder wollte?) wie man ein auch nur ähnliches Album wie "Vheissu" entstehen lassen könnte. Noch bevor ich auch nur einen winzigen Schnipsel vom neuen Album vernahm, wusste ich, dass ich enttäuscht sein werde.

Doch das Videotagebuch beruhigte daraufhin meine strapazierten Nerven. Zwar war nie ein ganzer Song zu hören, doch die Ausschnitte, die man hören konnte, ließen großes erwarten. Man hörte donnernde Riffs, wieder die übermenschliche Stimme Kensrue's, welche akustisches Gitarrenspiel untermalte, sowie elektronische, verträumte Klangspielereien. Vielleicht wird es ja doch nicht so übel, dachte ich bei mir. 

Das Konzept des neuen Albums ist die Vertonung der vier Elemente. Ich schluckte. Ein Projekt dieser Größenordnung, das können nur Ausnahmemusiker wie THRICE in Angriff nehmen, jede andere Band würde dabei nur kläglich scheitern. Doch wie, um Himmels Willen, soll sich das anhören?! Dann ließen sie die nächste Bombe platzen: Pro Element wird es eine CD geben. Vier CDs! Vier verdammte CDs! Der pure Wahnsinn. Für mich als zukünftiger Hörer der CD zumindest, doch im Falle von THRICE womöglich Größenwahnsinn? Hatten sie sich damit nicht etwas übernommen? Nein, dachte ich, eine Band solchen Kalibers macht nichts falsch.

Es kann nur genial werden. Und falls nicht, hast Du die Band immerhin finanziell unterstützt, damit sie beim nächsten Mal wieder großartige Musik machen. Doch so etwas wird, kann und darf nicht passieren, schließlich reden wir von THRICE! 

Mittlerweile drehte sich mein gesamter Alltag um die bevorstehende Veröffentlichung. Tag ein, Tag aus hoffte ich, nicht enttäuscht zu werden und dass mein Leben mit einer weiteren audiophilen Glückseligkeit wie "Vheissu" bereichert wird. Vorbestellt war es, so früh es überhaupt möglich war. Als es letztendlich (etwas verspätet) in meinem Habitat eintraf, war der Tag der Entscheidung gekommen. Ähnlich gespannt und nervös wie vor diversen wichtigen Prüfungen im Leben legte ich die CD in den Schacht und gab mich den Klängen von "The Alchemy Index Vol. I & II: Fire & Water" hin. Um mir dieses erste Mal nicht zu versauen, hörte ich zuvor lediglich in die Songs "Firebreather" und "Digital Sea" rein, welche vor Vorfreude meinen Brustkorb beinahe bersten ließen.

Was soll ich sagen? Das, was ich seit der Bekanntgabe bereits befürchtete, bestätigte sich. Ich war nicht überwältigt. Die Musik war über jeden Zweifel erhaben und THRICE durften sich auch weiterhin ihre talentierten Hinterteile mit irgend einer Veröffentlichung im musikalischen Bereich abwischen, doch der Funke wollte nicht überspringen. Woran lag es? Natürlich an der Erwartungshaltung. Zunächst daran, dass es (verständlicherweise) total anders als "Vheissu" klang, es zwei CDs, aber wenige Songs waren. Zu sperrig und simpel erschien mir die "Fire"-CD, zu langweilig und dahinplätschernd die "Water"-CD. Das Gefühl des Unbehagens wurde ich auch nach mehreren Durchläufen nicht los.

Ich musste mich geradezu zum Hören zwingen. Und dann machte es endlich "Klick". Von einem Moment auf den anderen erschloss sich mir dieses akustische Stück Unglaublichkeit, welches einige Bruchteile zuvor nur eine CD gewesen ist. Hier haben THRICE an alles gedacht. Es wird nicht stupide über Feuer und Wasser auf den jeweiligen CDs sinniert, nein. Sie klingen auch wie die jeweiligen Elemente. Die Songs außen vor gelassen und nur auf den Klang konzentriert, weisen die CDs Attribute auf, die wie die Faust aufs Auge passen.

"Fire" ist sehr direkt, hat einen Höhenreichen Sound und scheint zu lodern. Es klingt kratzig, flackernd, verraucht. Mit dieser akustischen Ummantelung wirken die brummenden, stampfenden Riffs und die dramatisch mitreißenden Leads und Hooklines umso bedrohlicher und eben, tja, feuriger. Ich möchte mich nicht weiter mit wahnwitzigen Adjektiven herumschlagen, um die Songs zu beschreiben. Lediglich das, was beim ersten Hördurchgang am meisten haften bleibt, möchte ich erwähnen. Zum einen den Kinderchor am Ende von "Firebreather", der irre Refrain von "Backdraft" (diese Stimme!!) und das abschließende, extrem verzerrte und psychotische "The Flame Deluge".

Drohten die Flammen den geneigten Hörer Sekunden zuvor noch zu verschlingen, findet sich dieser unter der Wasseroberfläche wieder. Ein beruhigendes Dröhnen umgibt die Ohrmuschel, dumpfer und elektronischer ist die klangliche Färbung auf "Water". Auch hier möchte ich nicht mit vagen Umschreibungen der Lieder nerven, sondern darauf hinweisen, dass diese CD mehr gefühlte Ohrwürmer beim ersten Hördurchgang als "Fire" hat. Und wer sich das Beste nicht zum Schluss aufheben kann, der hört sich eben sofort "The Whaler" an und staunt, wie jemand mit so einer Stimme gesegnet sein kann.

Am 18. April 2008 erscheinen die beiden CDs "Earth" und "Wind". Einen Höreindruck von "Wind" gibt es auf deren MySpace-Seite. Wem Dustin solo an der akustischen Gitarre gefällt, sollte auch mal seine CD "Please Come Home" antesten, bei der auch die restliche THRICE-Crew mitgewirkt hat.

Porcupine Tree - Nil Recurring

PORCUPINE TREE (v.l.n.r.):
Steve Wilson, Colin Edwin, Richard Barbieri, Gavin Harrison

"Nil Recurring" enthält vier Songs, die während der Aufnahmen zum aktuellen Album "Fear Of A Blank Planet" entstanden sind und nun separat auf einer EP veröffentlicht wurden. "Geldmacherei!" werden die einen nun schreien, "Die hätte man doch aufs Album raufpacken können!". Stimmt, hätte man. Und, ja, es ist Geldmacherei. Aber das war/ist das Album auch schon. Und die vorangegangen auch. Sowie alles, womit sich Geld verdienen lässt, von daher kehren wir dieses Argument einfach mal unter den Teppich. Doch warum nun extra eine EP von vier übrig gebliebenen Songs, warum konnten die nicht einfach auf dem nächsten Album zu hören sein? Die Antwort ist simpel: Sie sind thematisch zu sehr an "Fear Of A Blank Planet" gebunden und musikalisch doch meilenweit davon entfernt. 

Stelle ich mir diese vier Songs im Kontext des Albums vor, hätte es sich seltsam angehört. Nicht etwa, weil die Songs uninspiriert, uninteressant oder unfertig klingen. Erst mit dieser Veröffentlichung ist mir bewusst, wie dominant das Konzept, die Geschichte von "Fear Of A Blank Planet" in den Vordergrund gerückt wird. Erst jetzt fällt mir auf, wie sekundär die Instrumentalisierung und wie wichtig das übermitteln der Botschaft ist. Nach den ersten Hördurchgängen von "Nil Recurring" klingt das tatsächliche Album irgendwie steril und kalt. Man möchte sogar sagen, zu kalkuliert. Auf keinen Fall möchte ich es schlecht reden, nichts liegt mir ferner.

Wie bereits erwähnt, hält sich "Nil Recurring" textlich in den selben Gefilden wie der große Bruder auf. Wäre dieser aber so farbenfroh, so vital und so spielfreudig instrumentalisiert worden wie diese "Ausschussware", wäre "Fear Of Blank Planet" ein noch größeres Album geworden, als es ohnehin schon ist. Was einem sofort ins Ohr sticht: Gavin Harrison. Endlich darf er sich am Schlagzeug richtig austoben, wenn nicht sogar ausrasten. Die Songs atmen durch sein sehr organisches Spiel noch mehr, als sie es auf "Fear Of A Blank Planet" ohnehin bereits tun. Mal zurückhaltend, perkussiv. Mal donnernd, wütend. Generell sind die Songs viel ausladender ausgefallen, was meiner Ansicht nach der Grund ist, weshalb sie nicht auf der Langspielplatte (Old School!) veröffentlicht wurden. Die Geschichte tritt bei Seite und die Musik rückt in den Vordergrund.

Fans von PORCUPINE TREE dürften diese CD sowieso schon längst ihr Eigen nennen. Wem an "Fear Of A Blank" missfiel, dass es mitunter zu kühl klang, der sollte "Nil Recurring" antesten und sich für eine knappe halbe Stunde in dem Klangbild verlieren, welches dem Album den letzten Schliff verpasst hätte.