Sonntag, Februar 17, 2008

Death - Symbolic

DEATH (v.l.n.r.):
Chuck Schuldiner, Gene Hoglan, Bobby Koelble, Kelly Conlon

Wie schafft man einen Klassiker? Warum sind Alben wie METALLICA's "Master Of Puppets", PANTERA's "Cowboys From Hell", SLAYER's "Reign In Blood", IRON MAIDEN's "Number Of The Beast" oder AMORPHIS' "Tales From The Thousand Lakes" tief in den Köpfen von Musikliebhabern der härteren Gangart verankert? Vielleicht aufgrund gerissener Vermarktungspolitik? Wohl kaum, ein Gros der eben genannten Veröffentlichungen wurde "lediglich" durch die - vom Internet ausgerottete - Tapetrader-Szene populär. Und erlangten nicht zuletzt aufgrund dieser minimalistischen Verbreitungsmethode Kultstatus, sondern auch durch das, was damals aus dem Kassettenrekorder schallte. Lange, komplex aufgebaute Songs ("Master Of Puppets"), dämonische Schnelligkeit und kompromisslose Härte ("Reign In Blood"), Double Leads ("Number Of The Beast") und ungewöhnliche Instrumentalisierung ("Tales From The Thousand Lakes") sind Dinge gewesen, die man bis dato nicht gehört hatte.

Auch "Symbolic" ist ein Klassiker. Jedoch weitaus weniger populär als die eben genannten Werke. Nicht bezogen auf die Metal-Szene, doch fragt man den Otto-Normal-Hörer nach IRON MAIDEN, METALLICA oder SLAYER, werden ihm/ihr diese Namen geläufig sein. Die vermeintlich geringe Popularität ist darauf zurückzuführen, dass DEATH Mitbegründer und Namensgeber eines Genres sind, dass Aussenstehende lediglich als Krach deklarieren würden: Death Metal. Merkmale wie gutturaler Gesang, hohe technische Präzision seitens der Instrumentalisierung, vertrackte Rhythmen und Taktwechsel sprengen nunmal jedem normalen Musikkonsumenten das Hirn.

Doch seit dem Genredefinierendem "Scream Bloody Gore" sind weitere Klassiker wie "Leprosy", "Spiritual Healing", "Human", sowie "Individual Thought Patterns"  erschienen. Dabei ließ sich eine deutliche Entwicklung feststellen. Instrumental weiterhin sehr technisch, traten vermehrt melodische Nuancen in den Vordergrund und Chuck entfernte sich nach und nach vom Rumgekeife der alten Tage hin zum klarem Gesang. Auch die Texte handelten nicht mehr von Splatterthemen, sondern wurden nachdenklicher. Auf "Symbolic" hört man einen Chuck Schuldiner, der intelligente und zutiefst berührende Ansichten über die Vergänglichkeit des Lebens preisgibt.

Dabei driftet er nicht ins Kitschige ab oder langweilt mit abgedroschenen Phrasen. Er beschreibt Kindheits-Erinnerungen an eine unschuldige, unbekümmerte Zeit. Aber auch die Frage des Lebens, welchen Sinn hinter unserem Handeln steckt und welche Ziele wir vor Augen haben. "Symbolic" ist ein Album, welches trotz technischer Riffs und agressivem Double Bass-Gebrauch, welche dennoch sehr akzentuiert eingesetzt wird,  auf emotionaler Ebene zutiefst berührt. Jeder kann nachvollziehen, wovon Chuck singt, denn es sind authentische, glaubwürdige Worte.  

Mit der lyrischen Melancholie geht auch die melodische Begleitung der Songs einher. Wunderschöne, zugleich depressive, schwermütige Harmonien erschaffen einen klanglichen Charakter, der "Symbolic" einen hohen Wiedererkennungswert gibt. Es sind die Melodien und Riffs in Songs wie dem Titelsong, "Zero Tolerance", "Empty Words" und dem bewegenden "Crystal Mountain", ach, es sind einfach alle Songs, bei denen mir bei jedem Hören schwer ums Herz wird, weil Chuck Schuldiner viel zu früh von uns ging. 1999 wurde bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert, jedoch war Chuck nicht krankenversichert. Trotz Spenden und Benefizveranstaltungen begab es sich am 13. Dezember 2001, dass die finanziellen Ressourcen aufgebraucht waren und Chuck aus dem Krankenhaus entlassen werden musste. Wenige Stunden darauf verstarb er.

"I close my eyes 
And sink within myself
Relive the gift of precious memories
In need of a fix called innocence"

Aus dem Titelsong vom Album "Symbolic"

Samstag, Februar 16, 2008

Maroon - The Cold Heart Of The Sun

MAROON (v.l.n.r.):
Sebastian Rieche, Tom Eric Moraweck, Andre Moraweck, Nick Wachsmuth, Sebastian Grund

"Bwaaaaaaaaahh!!". Blast Beats. Todesblei-Gitarren-Leads. Rumpel, polter. "Bwoooooooo!!". Wieder Blast Beats, erneut mit Todesblei gefüllte Leads, krach, schepper. 

So, oder so ähnlich würde ich den Anfang von "(Reach) The Sun)" beschreiben. Nachdem der Schreiber dieser Zeilen sich per Hand-zu-Mund-Beatmung wieder aus dem Koma erweckt und die Mucke etwas leiser gedreht hat, stellt er fest, dass hier wohl in den folgenden Minuten keine Gefangenen gemacht werden.

Dabei war gar nicht mal sicher, dass dieser Silberling überhaupt seinen Weg in meinen CD-Schacht finden würde, geschweige denn in mein CD-Regal. Schließlich reagiere ich äußerst allergisch auf die Stilbeschreibung "Metalcore". Scheuklappendenken zum Trotz gab ich dem ersten Song dennoch eine Chance. Was soll ich sagen? Durch den Brustkorb direkt direkt zum Herzen durchgeprügelt. Erfreulicherweise ist die Rate an 0815-Breakdowns sehr gering und so dominiert moderner und brutaler Metal auf dem sechsten Album "The Cold Heart Of The Sun" . Jedoch wird hier nicht die Suppe nochmal aufgewärmt, sondern frisch zubereitet! Die Zutaten: Andres kläffender Gesang, zwei Esslöffel vertonte Brutalität, leckere Leads, würzige Hooklines, überbacken mit einer dicken Schicht Abwechslung, damit das Süppchen nicht langweilig schmeckt.

Essen gibt's später, erstmal die Mucke. Weniger eingängig, dafür umso vertrackter wird im folgenden "Only The Sleeper Left The World" weiter abgeholzt, was bei drei auf den Bäumen ist. Der Song prescht wüst nach vorne und sorgt nur kurz in Form von sehr melodischen Leads für Verschnaufpausen. "Steelbath Your Heart" begeistert mit einem mächtigen, walzenden Refrain, dem "Funeral Song" in nichts nachsteht. Es setzt sogar noch einen drauf, denn schwarzmetallisches Gedonner und extrem groovende Breaks verursachen die ersten Nackenbeschwerden. 

Hypnotisierende, monoton wabernde Riffs hingegen prägen das Klangbild von "Black Halo!" und verdeutlichen erneut, dass man nicht darauf erpicht ist, sich zu wiederholen, sondern zu unterhalten. Ein esoterisch anmutendes Ambiente, die Textzeilen "Here is the feeling, der Mutter Kind" und sphärische Soli saitens (lustig, oder?) der Gitarrenfraktion sind dafür verantwortlich, dass das gerade gehörte hartnäckig wie Mückenleichen auf der Windschutzscheibe in den Gehörgängen wiederhallt.

Das kalte Herz der Sonne
Es ist stockdunkel. Einzig und allein das unheilvolle Dräuen, welches sich kontinuierlich nähert, vermag zu beschreiben, an welchem Ort sich der Hörer befinden mag. Langsam den Körper hinauf wandernd umgarnt die kalte Schwärze den Körper, das Dräuen wird intensiver. Es ist nur noch wenige Schritte entfernt, als... Unterbrechung. Das Geräusch einer Maschine, deren Verbindung zur Stromversorgung gekappt wurde, reißt den Hörer aus der völligen Schwärze. Dieser Ort scheint komplett aus Metall zu bestehen. Klirrend und kalt hallen die Geräusche wieder, welche dieser Ort von sich gibt. Kondenswasser tropft von der mit Rohren übersäten, organisch wirkenden Decke. Es ist schwül. Die eigenen salzigen Schweißperlen erschweren die Sicht in dem ohnehin schwach ausgeleuchtetem Raum. An diesem seltsamen Ort muss wohl irgendetwas betrieben werden, von überall ertönen heftig arbeitende Hydrauliken. Irgendetwas großes. Die martialisch wütenden Pumpen verteilen in unmenschlicher Gleichmäßigkeit Öl durch die Luft. Die Spritzer verpuffen zu kleinen Wölkchen, wenn sie den Boden berühren. Es ist heißer geworden. Viel heißer. Zu heiß. Es riecht nach versengten Haaren, nach verbranntem Stoff. Die Sohlen der Schuhe haben kein Profil mehr, sie gleichen eher einer dickflüssigen Pfütze. Warum ist es hier so heiß? Was ist das für ein Ort?

Der Übergang vom Titelsong zu "For Those Unseen" hätte besser nicht sein können, doch zu rasant waren die vorangegangen Songs und zu schleppend ist dieser, als das er wirklich überzeugen könnte. Trotz Mitgröhl-Faktor. Hier kann auch "As Truth Becomes Vain" punkten, doch dieser Refrain ist der pure Wahnsinn. Eine erdig knatternde Double Bass, schwedisch-rasante Gitarrenleads und ein Andre, bei dem die Stimmbänder am liebsten vor Überstrapazierung aus dem Hals flüchten möchten.

Kann man übrigens eins zu eins für "The Iron Council" und "Fear Them Most Who Protect" übernehmen. Was soll ich mir noch irgendwelche Haarsträubenden Adjektive aus den Fingern saugen, wenn dem Leser sowieso klar ist, was einen erwartet: Gnadenlos rasanter, melodischer, heftiger Metal. Ein paar Wie-Worte habe ich allerdings noch in meiner Grabbelkiste, darum möchte ich noch folgendes verlieren: Worte. Über? "Some Goodbyes Are Farewells".

Knapp 50 Minuten Gepolter hinterlassen Spuren. Es gab zwar eine kurze "Erholungsphase" im kalten Herzen der Sonne, doch was zaubern MAROON denn da aus der Überraschungstüte? Eine Halbballade. Halb Krach, halb Melodie. Oder so. Mit tiefer, klarer Stimme vorgetragene Verse, denen man einen Hauch Melancholie nicht absprechen kann. Im Refrain bellt Andre zwar in gewohnter Manier, doch im Kontext zum restlichen Material des Albums ist es eher zurückhaltend. Und mal unter uns: Jagen eigentlich nur mir die Zeilen "Please remember these times / Memories are immortal" Schauer über meinen hübschen Rücken? Oder sollte das vielleicht mal mein Orthopäde des Vertrauens überprüfen? Macht so etwas überhaupt ein Orthopäde?