Samstag, Februar 16, 2008

Maroon - The Cold Heart Of The Sun

MAROON (v.l.n.r.):
Sebastian Rieche, Tom Eric Moraweck, Andre Moraweck, Nick Wachsmuth, Sebastian Grund

"Bwaaaaaaaaahh!!". Blast Beats. Todesblei-Gitarren-Leads. Rumpel, polter. "Bwoooooooo!!". Wieder Blast Beats, erneut mit Todesblei gefüllte Leads, krach, schepper. 

So, oder so ähnlich würde ich den Anfang von "(Reach) The Sun)" beschreiben. Nachdem der Schreiber dieser Zeilen sich per Hand-zu-Mund-Beatmung wieder aus dem Koma erweckt und die Mucke etwas leiser gedreht hat, stellt er fest, dass hier wohl in den folgenden Minuten keine Gefangenen gemacht werden.

Dabei war gar nicht mal sicher, dass dieser Silberling überhaupt seinen Weg in meinen CD-Schacht finden würde, geschweige denn in mein CD-Regal. Schließlich reagiere ich äußerst allergisch auf die Stilbeschreibung "Metalcore". Scheuklappendenken zum Trotz gab ich dem ersten Song dennoch eine Chance. Was soll ich sagen? Durch den Brustkorb direkt direkt zum Herzen durchgeprügelt. Erfreulicherweise ist die Rate an 0815-Breakdowns sehr gering und so dominiert moderner und brutaler Metal auf dem sechsten Album "The Cold Heart Of The Sun" . Jedoch wird hier nicht die Suppe nochmal aufgewärmt, sondern frisch zubereitet! Die Zutaten: Andres kläffender Gesang, zwei Esslöffel vertonte Brutalität, leckere Leads, würzige Hooklines, überbacken mit einer dicken Schicht Abwechslung, damit das Süppchen nicht langweilig schmeckt.

Essen gibt's später, erstmal die Mucke. Weniger eingängig, dafür umso vertrackter wird im folgenden "Only The Sleeper Left The World" weiter abgeholzt, was bei drei auf den Bäumen ist. Der Song prescht wüst nach vorne und sorgt nur kurz in Form von sehr melodischen Leads für Verschnaufpausen. "Steelbath Your Heart" begeistert mit einem mächtigen, walzenden Refrain, dem "Funeral Song" in nichts nachsteht. Es setzt sogar noch einen drauf, denn schwarzmetallisches Gedonner und extrem groovende Breaks verursachen die ersten Nackenbeschwerden. 

Hypnotisierende, monoton wabernde Riffs hingegen prägen das Klangbild von "Black Halo!" und verdeutlichen erneut, dass man nicht darauf erpicht ist, sich zu wiederholen, sondern zu unterhalten. Ein esoterisch anmutendes Ambiente, die Textzeilen "Here is the feeling, der Mutter Kind" und sphärische Soli saitens (lustig, oder?) der Gitarrenfraktion sind dafür verantwortlich, dass das gerade gehörte hartnäckig wie Mückenleichen auf der Windschutzscheibe in den Gehörgängen wiederhallt.

Das kalte Herz der Sonne
Es ist stockdunkel. Einzig und allein das unheilvolle Dräuen, welches sich kontinuierlich nähert, vermag zu beschreiben, an welchem Ort sich der Hörer befinden mag. Langsam den Körper hinauf wandernd umgarnt die kalte Schwärze den Körper, das Dräuen wird intensiver. Es ist nur noch wenige Schritte entfernt, als... Unterbrechung. Das Geräusch einer Maschine, deren Verbindung zur Stromversorgung gekappt wurde, reißt den Hörer aus der völligen Schwärze. Dieser Ort scheint komplett aus Metall zu bestehen. Klirrend und kalt hallen die Geräusche wieder, welche dieser Ort von sich gibt. Kondenswasser tropft von der mit Rohren übersäten, organisch wirkenden Decke. Es ist schwül. Die eigenen salzigen Schweißperlen erschweren die Sicht in dem ohnehin schwach ausgeleuchtetem Raum. An diesem seltsamen Ort muss wohl irgendetwas betrieben werden, von überall ertönen heftig arbeitende Hydrauliken. Irgendetwas großes. Die martialisch wütenden Pumpen verteilen in unmenschlicher Gleichmäßigkeit Öl durch die Luft. Die Spritzer verpuffen zu kleinen Wölkchen, wenn sie den Boden berühren. Es ist heißer geworden. Viel heißer. Zu heiß. Es riecht nach versengten Haaren, nach verbranntem Stoff. Die Sohlen der Schuhe haben kein Profil mehr, sie gleichen eher einer dickflüssigen Pfütze. Warum ist es hier so heiß? Was ist das für ein Ort?

Der Übergang vom Titelsong zu "For Those Unseen" hätte besser nicht sein können, doch zu rasant waren die vorangegangen Songs und zu schleppend ist dieser, als das er wirklich überzeugen könnte. Trotz Mitgröhl-Faktor. Hier kann auch "As Truth Becomes Vain" punkten, doch dieser Refrain ist der pure Wahnsinn. Eine erdig knatternde Double Bass, schwedisch-rasante Gitarrenleads und ein Andre, bei dem die Stimmbänder am liebsten vor Überstrapazierung aus dem Hals flüchten möchten.

Kann man übrigens eins zu eins für "The Iron Council" und "Fear Them Most Who Protect" übernehmen. Was soll ich mir noch irgendwelche Haarsträubenden Adjektive aus den Fingern saugen, wenn dem Leser sowieso klar ist, was einen erwartet: Gnadenlos rasanter, melodischer, heftiger Metal. Ein paar Wie-Worte habe ich allerdings noch in meiner Grabbelkiste, darum möchte ich noch folgendes verlieren: Worte. Über? "Some Goodbyes Are Farewells".

Knapp 50 Minuten Gepolter hinterlassen Spuren. Es gab zwar eine kurze "Erholungsphase" im kalten Herzen der Sonne, doch was zaubern MAROON denn da aus der Überraschungstüte? Eine Halbballade. Halb Krach, halb Melodie. Oder so. Mit tiefer, klarer Stimme vorgetragene Verse, denen man einen Hauch Melancholie nicht absprechen kann. Im Refrain bellt Andre zwar in gewohnter Manier, doch im Kontext zum restlichen Material des Albums ist es eher zurückhaltend. Und mal unter uns: Jagen eigentlich nur mir die Zeilen "Please remember these times / Memories are immortal" Schauer über meinen hübschen Rücken? Oder sollte das vielleicht mal mein Orthopäde des Vertrauens überprüfen? Macht so etwas überhaupt ein Orthopäde?

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