Freitag, August 24, 2007

As I Lay Dying - An Ocean Between Us

AS I LAY DYING (v.l.n.r.):
Josh Gilbert, Phil Sgrosso, Tim Lambesis, Nick Hipa, Jordan Mancino

Ein Ozean zwischen uns. Eine schier unglaubliche Menge an Wasser, welche zwei Seelen voneinander trennt. Das Herz von der Pein des Auseinander seins gebeutelt, das Gemüt mit dem stechenden Schmerz der Sehnsucht erfüllt. Der Verstand muss eingestehen, dass diese Hürde, dieser Ozean, unüberwindbar ist. Das Auge erfasst den endlosen, schnurgeraden Horizont. Irgendwo hinter diesem Horizont, geschaffen von Naturgewalten, ist das, was wir suchen, um glücklich zu werden. Werden wir Opfer auf uns nehmen, um unser Ziel zu erreichen? Oder werden wir weiterhin tatenlos den Wellen zu sehen, wie sie ein aufs andere mal am Ufer zerbersten und hoffen, dass sich schon etwas ergibt? Sind wir unseres Glückes eigener Schmied, oder lassen wir Andere für uns die Entscheidungen treffen?

Das dritte Album der Truppe aus San Diego durchlebt all diese Gedanken und Emotionen, bietet Höhen und Tiefen, Sieg und Niederlage, wie im richtigen Leben. Solange man den Mut hat, sich darauf einzulassen. AS I LAY DYING haben mit diesem Album einen großen Schritt nach vorne getan, der ihnen in der Metalszene viel Anerkennung verschaffen wird. Wer hätte von einer Band, die das Genre Metalcore gleichermaßen geprägt wie definiert hat, ein solches Album erwartet? Statt vorhersehbarer Breakdowns und dem monotonem Brüllgesang von Tim Lambesis herrschen hier Facettenreichtum, Spielfreude und Abwechslung. Auf "An Ocean Between Us" hat sich sein Gesang nicht wesentlich verändert, doch klingt seine Stimme nun deutlicher und dynamischer. Den Part des klaren Gesangs übernimmt nun Bassist Josh Gilbert, da Clint Norris seine Erfüllung woanders sucht. Erstgenannter meistert diese Aufgabe mit Bravour und entpuppt sich als wahre Bereicherung für die Band.

Natürlich haben AS I LAY DYING dem Metal nicht komplett den Rücken gekehrt, hier gibt es nämlich immer noch voll auf die Zwölf. So zum Beispiel im ersten Song "Nothing Left", welcher vom instrumentalen "Separation" eingeleitet wird, und neben einer markanten Hookline auch einen herrlichen Mitgröhl-Refrain bietet. Auch der Titelsong treibt sich in martialischen Gefilden umher und beweist im Refrain nicht nur, dass die Jungs geile Ohrwürmer schreiben können, sondern auch, wie fantastisch Josh Gilbert singen kann. Damit der Hörer nicht zu sehr ins träumen bei den wunderschönen Refrains gerät, holt ihn "Within Destruction" in Form eines musikalischen Abrisskommandos wieder aus dem Delirium zurück. Leicht und unschuldig wie ein Tag am Meer, dabei doch so heftig wie die Winde des Ozeans und so traurig wie ein gestrandetes Tier ist "Forsaken", auf welchem Herr Gilbert seine beste Gesangsleistung gibt. Wieder einmal kommt das Heftig-Ruhig-Schema zum Einsatz, denn "Comfort Betrays" wartet mit Gedonner vom Feinsten auf, bis "I Never Wanted" fast gänzlich ruhige Töne anschlägt. Um ein vielfaches depressiver als "Forsaken" und ein weiteres Mal ist es Neuzugang Gilbert, der dem Song das besondere Etwas verleiht. Vor allem der Schlussteil ist der bisherige emotionale Höhepunkt des Albums. Hier sind ganz, ganz großartige Musiker zugange, dich sich endlich von den Ketten ihrer musikalischen Vergangenheit befreit haben.

Der Hörer wird ein weiteres Mal aus dem Schwärmen gerissen. Und ehe man sich versieht, fegte bereits das wuchtige "Bury Us All" binnen weniger Minuten über einen hinweg. Länger und melodischer ist da "Sound Of Truth", welches wieder gnadenlos gute Hooks ohne Ende liefert, was neben der Lead-Fraktion vor allem den Refrain betrifft. Meistens sind rein instrumentale Muskelspiele auf Alben schmückendes Beiwerk und werden mit einem anerkennenden "Wow" abgetan, doch "Departed" ist da anders. Noch nie hat mich tapping so sehr berührt, wie in diesem Song. Der pure Wahnsinn. Den Tränen nahe, verpasst mir "Wrath Upon Ourselves" mit dem urplötzlichen Einsatz von heftigen Riffs, wütendem Schlagzeugspiel und heftigstem Rumgekeife seitens Lambesis' fast einen Herzinfarkt. Auch hier ist wieder der melodische Refrain dank Gilbert eine Ohrenweide, der bei "This Is Who We Are" ein letztes Mal demonstriert, wozu seine Stimmbänder in der Lage sind. Nachdem seine letzen Worte verklungen sind, geleitet eine traurige, sanfte Pianomelodie den Hörer aus diesem tobenden Ozean hinaus.

Das Unwetter ist vorüber, das Salz des Meeres brennt in den Augen. Der rund gewaschene Sand des Strandes umschmeichelt samten Arm und Bein, die Möwen singen ihr Lied. Das sanfte Brechen der Wellen klingt dumpf in den Ohren, eine klare Brise zerzaust das noch nasse Haar. Und das erste, was die schmerzenden Augen sehen, ist der Strand, der einst in so weiter Ferne zu sein schien.

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Donnerstag, August 16, 2007

Enter Shikari - Take To The Skies

ENTER SHIKARI (v.l.n.r.):
Liam Clewlow (Rory), Roughton Reynolds (Rou), Rob Rolfe, Chris Batten

In welche Schublade soll man das nur stecken, was die Engländer ENTER SHIKARI auf ihrem Debüt "Take To The Skies" auf die Menschheit loslassen? Techno Metal? Emo Trance Core?! Hard Euro Dancecore?!! Die Schublade, welche die Band nennt, ist zwar alles andere als neu - ich sage nur HORSE THE BAND - aber mehr als passend: Nintendocore. In der Tat fühlt man bei einigen Songs nostalgische Gefühle an die pixeligen 16 Bit-Zeiten in sich aufkeimen. Doch auch Assoziationen zu diversen Techno und Pop Hits aus den Neunzigern sind möglich. Mein Gott, teilweise könnte die Musik sogar auf den hiesigen Plastik Musik-Radiosendern gespielt werden, erinnert der Gesang der Jungs mit ihrem englischen Akzent an diverse Bands, die von "schwulen Studenten" gehört werden. Zwar habe ich dieses Zitat von Herrn Ferchichi dreist aus dem Zusammenhang gerissen, doch für meine Zwecke reicht es. Damit meine ich Bands wie MANDO DIO, THE HIVES, THE KILLERS und andere Bands, die mit einem Artikel anfangen und bei der die Band Opas Klamotten aufträgt.

Genug dieses diskriminierenden Geseires, schließlich geht es hier nicht um meine Aversionen gegen austauschbaren Indie Rock, sondern um "Take To The Skies". Und weil's so schön ist, sogar die Limited Edition mit DVD. Auf dieser ist neben Livematerial und einer Slideshow auch Backstage-Material zu bestaunen. Die äußere Hülle bildet ein schlichter, aber dennoch schicker Pappschuber. Hat man dieses ästhetische Hindernis überwunden, offenbart sich dem Blickfeld des Betrachters das Cover mit dem genialen Artwork von Keaton Henson. Dieses dient nicht nur als schmückendes Beiwerk der Texte, sondern hilft simultan auch noch, diese besser zu verstehen, beziehungsweise zu intensivieren. Bevor man all dies allerdings zu Gesicht bekommt, purzeln einem zwei Zettel mit Stickern entgegen (haben die Ausmaße der CD-Verpackung, mal so nebenbei). Da kriegt man doch mal was für sein Geld geboten, und das bei einem Debüt!

Im ersten Absatz habe ich bereits erahnen lassen, welche mannigfachen musikalischen Pfade ENTER SHIKARI bestreiten. Der Name stammt übrigens aus dem indischen und bedeutet ins Englische übersetzt "Enter The Hunter". Dieser Jäger ist ein Charakter, den Rou für ein Stück schrieb, noch bevor die Band existierte. Ein Charakter, welcher als Metapher für positive Aggressionen benutzt wird. Shikari ist die Hoffnung, die uns die Energie gibt weiter zu machen und uns nach dem Heilmittel für unsere Probleme jagen lässt. So die offizielle Erklärung der vier kurzhaarigen Inselbewohner. Zurück zur Musik. Der größte Kritikpunkt dürfte neben den Dance, Techno und Euro Dance Keyboard Klängen auch der Gesang sein. Manchmal brüllen alle vier aus vollem Hals eine Strophe, manchmal werden die gutturalsten Ebenen des Gutturalen betreten, manchmal schreit Rou aus vollem Hals und manchmal singt er. Das er dabei ab und zu etwas schief klingen mag, stört weniger. Eine Konstante hingegen auf "Take To The Skies" ist der englische Akzent. Wem diese beiden Sachen auf einer Metal, beziehungsweise Emo, Screamo oder meinetwegen auch Hardcore CD übel aufstoßen, der braucht hier nicht weiter zu lesen. Der Rest darf sich an meinen nachfolgenden Worten laben, oder kann ein Glas Wasser trinken gehen, je nachdem, wie es Mann/Frau beliebt.

Interessant ist, dass es eigentlich nur elf "richtige" Songs auf "Take To The Skies" gibt, welche wiederum von sechs unbetitelten Intermezzi aufgelockert/verlängert/unterbrochen werden. In fast jedem werden die Worte "And still we will be here, standing like statues!" gerufen/gegrunzt/geschrien. Das diese Zeilen eng mit der Handlung verbunden sind, darauf werde ich ausführlich (oh, oh...) im letzten Absatz eingehen. Diese Intermezzi sind zwar unterhaltsam, jedoch erachte ich die "richtigen" Songs als wichtiger. So zum Beispiel "Enter Shikari", welches mit dem zweimaligen Ausruf eines Fäkalwortes beginnt und dabei von dramatischen Trance Sounds untermalt wird, bis schwere Riffs zu einem Trancecore-Bastard erster Güte überleiten. Der Anfang von "Mothership" lässt vermuten, dass sich "Trance Dance Vol. 945325" im CD-Schacht befindet. Weit gefehlt, denn hier sind ENTER SHIKARI zugange und diese trumpfen erstmals mit klaren Gesangslinien auf, sowie deren Gespür für Spannungsaufbau in einem Song. "Anything Can Happen In The Next Half Hour" fängt zwar schmalzig an, wandelt sich aber zu einem tanzbaren (!) Metalsong mit hoher Breakdown-Dichte.
Ein so kitschiges Keyboard-Gedudel als Einleitung zu benutzen ist ganz schön mutig, kann sich aber "Labyrinth" leisten, nicht nur dank dem... nein, ich glaube, genau das macht den Song aus, obgleich der Tatsache, dass er einer der Schwächeren ist. In "No Sssweat" werden die Gehörgänge des Hörers mit hohem Tempo, Falsettgesang und Schimpfwörtern penetriert, während "Today Won't Go Down In History" die erste Ballade ist, die man auf "Take To The Skies" zu Gehör bekommt. Ein, für ENTER SHIKARI-Verhältnisse, spärlicher Einsatz von künstlichen Klängen und Breakdowns könnten für die ein oder andere Gänsehaut sorgen.

Im Gegensatz dazu fällt "Return To Energiser" über einen her und punktet mit einem wunderschönen, melodischem Refrain. Doch es wird noch besser, denn der Ohrwurm "Sorry, Your're Not A Winner" heimst sogar noch mehr Punkte durch genial platzierte Handclaps, ein markantes Riff und einen weiteren ausgefallenen Refrain ein. Nach diesem Hit-Doppelschlag sollte der Hörer sich allerdings auf unangenehmen Schmerz in der Gegend um das Trommelfell herum machen, denn "Johnny Sniper" wird mit Klängen eingeläutet, die selbst auf einer Kirmes seltsam klingen würden. Das geht glücklicherweise nur Anfangs so und wird später von ordentlich groovender Arbeit an den Instrumenten abgelöst. Nun wird es ernst. "Adieu" ist eine herzzerreißende Ballade, die aufgrund ihrer Ausgereiftheit in Bezug auf Klang und Text geradezu deplatziert wirkt. Ganz großes Kino, lediglich der zuvor erwähnte Akzent der Briten könnte dem ein oder anderen missfallen. Mit "Ok, Time For Plan B" sind wir beim letzten "richtigen" Song angekommen. Und der ist richtig "richtig". Da bleibt nicht viel mehr zu sagen: Gnadenlos guter Groove, abwechslungsreiches Songkonstrukt, himmlischer Refrain und abschließendes musikalisches abholzen.

Die Geschichte von "Take To The Skies" ist in ihrer Obskurität gleichwertig mit der Musik: Außerirdische entern unseren Heimatplaneten. Damit meine ich die Erde. Und wie es für Wesen aus einer anderen Galaxie so üblich ist, werden erstmal Homo Sapiens auf das Mutterschiff für experimentelle Zwecke hoch gebeamt. Oder doch nicht? Entführte berichten davon, sie hätten sich bei den vermeintlichen Invasoren sicher gefühlt, weil diese keine selbst bezogenen Individuen seien, die ihre Heimat zerstören wollen. Außerdem berichten sie davon, dass die Außerirdischen erzählt hätten, "die Antworten lagen schon immer auf dem Meeresbett". Wahrheit, oder Fiktion?

Schnitt. Wir befinden uns bei den Invasoren. Um genauer zu sein, bei zwei von ihnen. Ein unglücklich verliebtes Alien möchte seinem Gegenüber (auch ein Alien, logisch, oder?) seine Gefühle mitteilen, traut sich aber nicht. Schüchtern schaut es weg, wenn sich die Blicke kreuzen und lüstern wird das Objekt der Begierde beobachtet, wenn es den Blick abwendet. Solche Probleme kennt der Rest Belegschaft nicht, schließlich müssen sie sich um wichtigere Dinge kümmern. Nämlich ein menschliches Pärchen durch ein Labyrinth zu jagen. Diese diabolische Hatz wird von den Invasoren genauso ambitioniert wie ein Fußballspiel kommentiert, schließlich will jeder wissen, wie es um die Versuchskaninchen steht. Apropos Kaninchen. Wenn es ums essen geht, machen die Wesen aus dem All keine Gefangenen. Wenn man schon mal ein paar Erdenkinder an Board geholt hat, kann man diese auch gleich verspeisen. Jedoch herrscht Unmut an der Speisetafel: "Das machst Du jedes verdammte Mal! Kein Schweiß, keine Tränen, keine Schuld!" Tja, Menschen verspeisen will eben gelernt sein.

Zurück auf der Erde. Die Menschen holen zum Gegenschlag aus. Mithilfe von grinsenden Masken, die sie sich aufsetzen, können sie die gegnerischen Schilde in die Knie zwingen. Diesen Moment der Schwäche ausnutzend, schicken sie ihren besten Schützen los, um die außerirdische Brut zu vernichten. Johnny Sniper. Der lässt sich jedoch von der Schönheit der Natur hinreißen und verpennt somit seinen Auftritt. "Hey Johnny! So rettest Du die Welt!" Aufgrund seiner Unfähigkeit haben die Erdenbewohner die Faxen dicke, und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Nachdem sie diesbezüglich intensives Brainstorming betrieben haben, sind sie zu dem folgenreichen Entschluss gekommen, dass...

...es Zeit für Plan B ist: Keiner bewegt sich, alle warten, bis die Erde sich dreht, bis der Boden vor Erschütterungen erzittert. Schon als die Invasion begonnen hat, galt das Motto: "Und wir sind immer noch hier, stehen da wie Statuen!" Doch hat es geholfen? Sind womöglich gerade deswegen die Außerirdischen eingefallen? Vielleicht weil man nur tatenlos zusieht und alles mit sich machen lässt? Von Selbstzweifeln geplagt, nehmen die Erdlinge ihr Schicksal letzten Endes doch in die Hand und versuchen, die Erde selber zum drehen, sie selber zum erzittern zu bringen. Ausgang dieses Unterfangens? Ungewiss...

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Montag, August 13, 2007

Trivium - The Crusade

TRIVIUM (v.l.n.r.):
Travis Smith, Matthew Kiichi Heafy, Paolo Gregoletto, Corey Beaulieu

"Es war fantastisch. Ich meine, er ist einer meiner Lieblingsgitarristen aller Zeiten und Metallica ist die Band, wegen der ich angefangen habe, Metal zu hören, Songs zu schreiben und die mich inspiriert hat, für diese Band hier herum zu experimentieren und das alles. Kirk und seine Band haben einfach möglich gemacht, was wir heute tun."

Heafy zur Frage, wie es war, Kirk Hammett zu treffen. (Quelle)


Auf "The Crusade", dem dritten Album von TRIVIUM (2006 erschienen) ist der Einfluss dieser Band beim ersten Hörgang scheinbar größer denn je. Müssen sich der gebürtige Japaner Heafy und seine drei Mannen aus Florida nicht nur Vorwürfe über Ideenklau bei METALLICA gefallen, sondern z.B. auch "Death to false metal!"-Chöre als Vorband bei IRON MAIDEN über sich ergehen lassen. An besagten Abend, dem 22. Dezember in London, wurden sie sogar mit Urin gefüllten Ballons beworfen. "Die Geschmäcker sind verschieden" hin oder her, doch das geht definitiv zu weit. Und das etwa nur, weil sie sich deutlich von ihrem modernen, mitunter Metalcore-Sound auf "Ascendancy" entfernt haben und jetzt wesentlich klassischer klingen? Gerade dieses Publikum hätte das, meiner Meinung nach, zu begrüßen gewusst.

Inwiefern klingen Trivium denn jetzt klassischer, haben sie etwa eine stilistische 180°-Drehung gemacht? Eher 90°, schließlich spielen sie immer noch Metal und nicht Polka. Dieser Wende fielen, außer in "Becoming The Dragon", zum einen der Breakdown zum Opfer. Zum anderen der nervige Brüllgesang. Stattdessen klingt Heafy oft wie der junge James Hetfield höchstpersönlich, was aber wohl eher in der Natur der Sache liegt und nicht an Ideenlosigkeit. Diese "Hetfield Momente" konnte man auch schon auf "Ascendancy" wahrnehmen, unverständlich also, warum das Geschrei bei diesem Album so groß ist. "Was ist daran so schlimm, wenn ich mich wie Hetfield anhöre?" fragte einst der Trivium-Frontmann einen Reporter. Das frage ich mich auch, schließlich sind beide großartige Sänger und es kann nur von Vorteil sein, wenn man in einem Satz mit METALLICA gennant wird, oder etwa nicht?

Doch genug dieses leidigen Themas, ich will schließlich was über die Platte schreiben, nicht über irgendwelche Identitätskrisen. Fangen wir doch beim Cover an, welches klassisch daher kommt. Laut Aussagen der Band soll das "Wesen" mit dem Schwert die selbe Person sein, die auch schon das Cover von "Ascendancy" schmückte. Aha, wenn die hässliche Raupe zum wunderschönen Schmetterling wird, und so. Diesen biologischen Vorgang kann man mit dem Können von TRIVIUM vergleichen. Waren sie bereits auf dem Vorgänger spielerisch in der Oberliga, sind sie heute auf direktem Weg zum Olymp. "Ignition" begrüßt den Hörer mit der thrashigen Härte eines Stahlbetonträgers, um in "Detonation" noch etwas weiter mit diesem auszuholen und einen mit einem schmachtend rockigen Ende auf den Boden zu schicken. Hier unten angekommen, zwingt "Entrance Of The Conflegration" einen, mit dem Fuss im Nacken, noch mehr Dreck zu fressen. Ein unglaublich fett drückender Groove presst die Thrash-Stacheln der Schuhsohle weiter in den Nacken.

Nach dieser Vollbedienung Schwermetall macht sich bei mir leichte Enttäuschung breit. "Anthem (We Are The Fire)" gehört vielleicht auf Star.FM gespielt oder zurück mit einer Rakete in die Hairspray Metal-Ära geschossen, aber nicht auf dieses Album. Technisch zwar top, die Soli brauchen sich auch nicht zu verstecken, aber ab den "Woho, woho"-Rufen wird es unangenehm. Live macht dieser Song sicherlich Spaß, keine Zweifel, jedoch klingt er in diesem Kontext gewöhnungsbedürftig. "Unrepentant" hingegen kann nicht nur durch Matt Heafy's wohlklingenden klaren Gesang im Refrain punkten, sondern auch durch das interessante Thema. Ein Familienvater mit vier Töchtern, der seine Familie mit Messer und Machete im Schlaf auslöscht, weil die Älteste Ehebruch begangen hat und er verhindern will, dass die Jüngeren es ihr gleich tun. Schwere Kost, genauso schwer wie die Riffs, die uns hier im mittleren Geschwindigkeitsbereich um die Ohren sausen.

Noch düsterer geht es in "Sadness Will Sear" her, ich zitiere hier der Einfachheit halber Herrn Heafy: "[...] Der Song erzählt die Geschichte von Matthew Sheppard. Er war es leid beleidigt zu werden, wurde aber wegen seiner sexuellen Orientierung halb zu Tode geprügelt. Diese Geschichte passierte vor einigen Jahren in den USA. [...]". Ein Höhepunkt auf dem Album, welcher neben der Gesangsleistung Heafy's sich auch mit dem Zungenbrecher "It's 12:53 AM October 12th when the scarecrow died" hervorhebt.

In "Becoming The Dragon" knüpfen TRIVIUM an alte Glanztaten an, was im Klartext bedeutet: Teilweise Brüllgesang und ein heftiger Breakdown. Das ausgelutschte Schema nervt einen vielleicht, aber im Zusammenhang mit den vorangegangenen Songs wirkt das richtig erfrischend und "modern". Im Song geht es übrigens um Nishikigoi, welcher sich am Ende in einen Drachen verwandelt. Die Jungs haben doch Humor. Ein Beweis dessen ist auch der Text von "To The Rats". Hier geht es nämlich heiß her:
"But someday we all find you | Come to where you work | And fucking tie you", "A skull fuck | For every word | Just try to breathe | don't fuck with this", "Break every bone in your Face | If you mess with my life", und so weiter und so fort.
Verfilmt würde das einen unterhaltsamen Abend in einem Kino für B-Movies versprechen. Oh, ich schweife ab. Die Textzeilen werden einem verdammt schnell bei einem verdammt thrashigen Songgerüst entgegen geflucht, wobei der Höhepunkt hierbei die Penetration der Double Bass am Ende darstellen dürfte. Mit tut schon der Nacken weh, wenn ich daran denke.

Der Kopf, nein, die Ohren tun mir weh, wenn "This World Can't Tear Us Apart" aus den Lautsprechern plätschert. "Dying In Your Arms", vom Vorgänger, fängt zwar schmalzig an, entwickelt sich aber zu einer flotten Ballade, in der der Anteil an fetten Riffs aber nicht zu kurz kommt und mit einem ausgezeichnetem Solo abschließt. Anscheinend hat er den vier Jungs so gut gefallen, dass sie die Melodie 1:1 kopieren und einen noch schlimmer vor Schmalz triefenden Text verwenden. Tut mir Leid, "All the pain in this world won't stop us now | For we have each other | All the hate in this world can't tear us apart | This love is forever", erwarte ich von Britney Spears oder Celine Dion, aber doch nicht von der Band, die "Pull Harder On The Strings Of Your Martyr" schrieb!

Nach dieser herben Enttäuschung ist die Erwartungshaltung an den nächsten Song immens. Kann er ihnen gerecht werden? Er kann. "Tread The Floods" ist ein klassischer Metalsong wie er im Buche steht und auf den Refrain sollte das Hauptaug... öhm, Hauptohrenmerk gerichtet werden, denn der hat einen Flow, den habe ich von den Jungs noch nicht gehört. Weitaus schwer fälliger hingegen ist "Contempt Breeds Contamination". So richtig will er nicht zünden, da fehlt der Höhepunkt. Sehr schade, denn hier wird ein aus den USA bekanntes Thema behandelt: Polizisten, die Selbstjustiz bei Farbigen walten lassen. In diesem Song erschießen sie den Unschuldigen aufgrund ihrer verqueren Einstellung und tun es als Notwehr ab. Inhaltlich großes Kino, musikalisch leider Mittelmaß. Mit "The Rising" haben wir neben "Anthem (We Are The Fire)" den nächsten Song, welcher wohl ausschließlich für die Aufführung auf der Bühne geschrieben wurde. Dieser hier kommt allerdings weniger "käsig" daher.

Der instrumentale Titelsong schließt dieses durchwachsene Album ab. TRIVIUM lassen die Muskeln spielen und zeigen, dass es durchaus möglich ist, einen langen Song (übrigens der längste auf dem Album) auch ohne Gebrüll und Gesang über die Bühne zu bringen. Dabei werden unter anderem entspannte Bassläufe und hypnotisches Riffing als Stilmittel verwendet. Damit haben sie sich gut gerettet, denn "Anthem (We Are The Fire)" nervt mit Achtziger Jahre Hairspray-Charme, "This World Can't Tear Us Apart" mit furchtbarem Titel und Melodieklau vom Feinsten bei sich selbst und "Contempt Breeds Contamination" punktet zwar mit interessantem Inhalt, aber kommt nicht zur Sache.

Empfehlenswert ist dieses Album vor allem für Einsteiger, welche sich erst seit kurzem mit dem Genre Metal auseinandersetzen. Aufgrund der musikalischen Bandbreite des Albums bietet es einen guten Eindruck. Allen anderen dürfte diese CD so manche Autofahrt versüßen, beziehungsweise Party in Schwung bringen, oder auch auf dem MP3-Player unterwegs für Kurzweil sorgen.

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Samstag, August 11, 2007

Metallica - Master Of Puppets

METALLICA (v.l.n.r.):
Cliff Burton, Lars Ulrich, James Hetfield, Kirk Hammett

Als die Haare noch lang waren, die Leber überstrapaziert und der Name METALLICA noch nicht mit den Begriffen "Radioballade" und "Therapiegruppe" assoziiert wurde, veröffentlichten eben gennante im Jahre 1986 ein Album, welches bis heute als die Quintessenz ihres Schaffens gilt. Einige präferieren den Nachfolger "...And Justice For All", andere wiederum den Vorgänger "Ride The Lightning", ganz andere wiederum das Debüt, "Kill 'Em All". Welches nun besser ist oder nicht, ist Ansichtssache. Fakt ist, dass nicht wenige Erscheinungen aus dem Hartwurstsektor sich an diesem Album messen müssen, oder besser gesagt, gemessen werden. Auch jeder neue Silberling von METALLICA muss stets für den Vergleich mit "Master Of Puppets" herhalten.

Doch was macht dieses Album so besonders, dass es mehr als 20 Jahre nach der Veröffentlichung immer noch jung wie alt zu begeistern weiß? Vielleicht, weil METALLICA damals bis an die Grenzen ihres spielerischen Könnens gegangen sind? Vielleicht, weil es mit acht Stücken nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang ist? Vielleicht, weil es musikalisch die ausgewogenste Platte ist? Schließlich wird hier mit dem von Akustikgitarren eingeleiteten "Battery", dem groovenden "The Thing That Should Not Be", dem Gänsehaut-Solo in "Welcome Home (Sanitarium)", dem instrumentalen "Orion" und dem superschnellen, thrashigem "Damage Inc." eine große stilistische Bandbreite geboten. Eine pauschale Antwort auf diese Fragen vermag ich nicht zu vergeben, denn jeder wird andere Gründe haben, warum er/sie dieses Album schätzt, beziehungsweise nicht schätzt. Ich möchte stattdessen eine Antwort auf folgende Frage geben: "Was ist das Konzept von Master of Puppets?"

Ein Blick auf das Cover lässt erahnen, wovon das Album handelt. Die Okkupation von Körper und Geist durch eine höhere Macht, selbst über den Tod hinaus, beziehungsweise bis zum Tod. Mit einem militärischen Bezug, wie man unschwer an dem abgebildeten Soldatenfriedhof und dem Soldatenhelm erkennen kann.

"Battery" handelt von Zorn und schildert, wie einem Soldaten auf dem Schlachtfeld die Sicherungen durchknallen und er in wahnwitzige Raserei verfällt. Die Schwachen werden weggerissen, die Feiglinge zerquetscht. Die Aggression wird zur Obsession, die Ungläubigen zerstampft, die Betrüger zerquetscht. Die Batterie des Zorns pumpt im Inneren immer weiter, ist ein Kraftwerk der Energie, hält den Kreislauf der Zerstörung in Bewegung. Doch diese Energie fordert ihren Tribut, nämlich die Abhängigkeit von Drogen, wodurch dieser Rauschzustand erst möglich ist.

Um diese Abhängigkeit geht es im Titelsong "Master Of Puppets". Hier tritt die höhere Macht (der Meister) in Erscheinung, welche den Protagonisten wie eine Puppe lenkt und beeinflusst. Die zuvor erwähnten leistungssteigernden Mittel haben jetzt die "Fäden in der Hand". Sie sind die Quelle seiner Selbstzerstörung, pumpen Angst durch seine Venen, fordern ihn auf, mehr zu probieren. Schließlich ist er süchtig danach, wie sie ihn umbringen. Sie okkupieren und verwirren ihn, verdrehen ihm den Kopf, zerstören seine Träume, blenden ihn. Die Nadel bahnt sich ihren Weg, er hackt sein Frühstück auf dem Spiegel zurecht und sein Leben, dass sich nur um den Tod dreht, nimmt nun wieder klare Züge an.

Weniger klar ist mir die Handlung von "The Thing That Should Not Be", dennoch konnte ich einige Informationen sichten. Das Lied handelt zwar auch von der Vereinnahmung des Verstandes, jedoch nicht durch Drogen oder pures Adrenalin. Es geht um Anhänger eines Kultes, welche ihre Individualität in den Hintergrund stellen, um im Kollektiv einer bestimmten Sache zu huldigen. Inspirieren lassen für diesen Song haben sich METALLICA von H.P. Lovecraft's "Schatten über Innsmouth", in welchem der Cthulhu-Mythos eine nicht unbedeutende Rolle spielt.

Wo die Zeit still steht, niemand diesen Ort verlässt und es auch nicht kann, davon handelt "Welcome Home (Sanitarium)". Die Figur in diesem Song befindet sich in einem Irrenhaus und wurde für geistig umnachtet befunden. Doch ist er das wirklich? Womöglich ist er nur so "verrückt", weil er hier festgehalten wird. Keine frische Luft, eingesperrt in einer Zelle und flüsternde Stimmen, die ihm versichern, er sei durchgedreht. Sie denken, sein Leben lege in ihren Händen und sagen: "Lasst ihn in Ketten, das ist gut für ihn, seht ihr nicht, dass es ihm schon besser geht?". Doch es liegt der Geruch von Aufstand in der Luft. Töten ist so ein nettes Wort, es scheint der einzige Weg, hier raus zu kommen.

Szenenwechsel. Wir befinden uns mitten auf dem Schlachtfeld. "Disposable Heroes" heißt im Kontext des Liedes übersetzt "Wegwerf-Soldaten". Einer dieser Soldaten erzählt seine Geschichte: Felder übersät mit Leichen und gefallenen Helden pflastern seinen Weg, blind rennt er über sie hinweg, denen der Tod anhaftet, rennt und kämpft bis zum bitteren Ende. 21 Jahre jung, hat seinem Land treu gedient, hat gelernt zu töten, nicht, sich zu kümmern. Er soll zurück an die Front, wenn sie sagen, dass er zurück an die Front soll. Er soll sterben, wenn sie sagen, dass er sterben soll. Er gehört nun Gevatter Tod ganz allein. Sein Leben war bereits geplant, noch bevor er geboren wurde. Wie hätte er da Einfluss nehmen können? Hatte keine Chance, sich selbst kennen zulernen. Jeden Tag wurde er mehr und mehr zum Soldaten geformt. Als er zurückblickt realisiert er, dass er nichts im Leben erreicht hat. Alleine wurde er auf dem Schlachtfeld zum Sterben zurückgelassen. Er umklammert seinen einzigen Freund im Leben: Seine Waffe.

Das Thema, welches "Leper Messiah" behandelt, hat keinen militärischen Bezug, ähnlich wie "The Thing That Should Not Be". Hier geht es um (vermeintlich) religiöse Gruppen, welche Kapital daraus schlagen, dass sie Leuten dass Blaue vom Himmel versprechen, solange sie genug bezahlen. Diese fallen wie ein Zirkus in der Stadt ein und der Clown in der Manege ist der Prediger. Er verbreitet seine Dogmen wie eine Krankheit. Hypnotisch predigt er den mental schwachen: "Gebt mir euer Geld, gebt mir die grünen Scheine und der Himmel wird euch begrüßen. Eine kleine Spende und ein besserer Platz dort oben sei euch gewährt!"

Man könnte aufgrund des Titels meinen, dass es in "Orion" ähnlich kosmisch hergeht, doch wo hat das instrumentale Stück eigentlich seinen Namen her? Wenn man es auf das Konzept der Okkupation bezieht, gibt es eine plausible Erklärung auf diese Frage. In der griechischen Mythologie war Orion ein riesiger und starker Jäger. Allerdings vermochten ihn seine Kraft und seine Größe nicht vor der Manipulation Dritter zu schützen. Klingt plausibel, nicht? Der tatsächliche Grund für die Namensgebung ist, dass die Musik die vier Jungs aus San Francisco ans Weltall erinnerte.

"Damage Inc." löst sich lyrisch von dem Konzept der Unterwerfung und richtet sich gegen Trends und Konformität. Die Puppe befreit sich sozusagen von den Fäden des Meisters. Der Charakter des Textes ist wütend und aufbrausend und geizt nicht mit Vulgärsprache. Dementsprechend wurde er umgesetzt. James Hetfield schmettert dem geneigten Hörer auf dem schnellsten Song des Albums entgegen, dass man nicht kniend leben, sondern stehend sterben soll. Dass der eigene Weg ein blutiger ist, wenn man sich nicht unterwerfen will, dass man seinem Instinkt und nicht einem Trend folgen soll. Dass man für die eigenen Überzeugungen brachial wie eine Dampfwalze vorgehen muss, wenn man diese durchsetzen will. Mitläufer und Widersacher werden wie Kaugummis gekaut und ausgespuckt, sie werden von uns ausgelacht während sie sich aufregen und rum zetern. Doch am Ende rennen sie vor Angst weg, denn sie wissen, wer wir sind. Damage Incorporated.

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