Cliff Burton, Lars Ulrich, James Hetfield, Kirk Hammett
Als die Haare noch lang waren, die Leber überstrapaziert und der Name METALLICA noch nicht mit den Begriffen "Radioballade" und "Therapiegruppe" assoziiert wurde, veröffentlichten eben gennante im Jahre 1986 ein Album, welches bis heute als die Quintessenz ihres Schaffens gilt. Einige präferieren den Nachfolger "...And Justice For All", andere wiederum den Vorgänger "Ride The Lightning", ganz andere wiederum das Debüt, "Kill 'Em All". Welches nun besser ist oder nicht, ist Ansichtssache. Fakt ist, dass nicht wenige Erscheinungen aus dem Hartwurstsektor sich an diesem Album messen müssen, oder besser gesagt, gemessen werden. Auch jeder neue Silberling von METALLICA muss stets für den Vergleich mit "Master Of Puppets" herhalten.
Doch was macht dieses Album so besonders, dass es mehr als 20 Jahre nach der Veröffentlichung immer noch jung wie alt zu begeistern weiß? Vielleicht, weil METALLICA damals bis an die Grenzen ihres spielerischen Könnens gegangen sind? Vielleicht, weil es mit acht Stücken nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang ist? Vielleicht, weil es musikalisch die ausgewogenste Platte ist? Schließlich wird hier mit dem von Akustikgitarren eingeleiteten "Battery", dem groovenden "The Thing That Should Not Be", dem Gänsehaut-Solo in "Welcome Home (Sanitarium)", dem instrumentalen "Orion" und dem superschnellen, thrashigem "Damage Inc." eine große stilistische Bandbreite geboten. Eine pauschale Antwort auf diese Fragen vermag ich nicht zu vergeben, denn jeder wird andere Gründe haben, warum er/sie dieses Album schätzt, beziehungsweise nicht schätzt. Ich möchte stattdessen eine Antwort auf folgende Frage geben: "Was ist das Konzept von Master of Puppets?"

Ein Blick auf das Cover lässt erahnen, wovon das Album handelt. Die Okkupation von Körper und Geist durch eine höhere Macht, selbst über den Tod hinaus, beziehungsweise bis zum Tod. Mit einem militärischen Bezug, wie man unschwer an dem abgebildeten Soldatenfriedhof und dem Soldatenhelm erkennen kann.
"Battery" handelt von Zorn und schildert, wie einem Soldaten auf dem Schlachtfeld die Sicherungen durchknallen und er in wahnwitzige Raserei verfällt. Die Schwachen werden weggerissen, die Feiglinge zerquetscht. Die Aggression wird zur Obsession, die Ungläubigen zerstampft, die Betrüger zerquetscht. Die Batterie des Zorns pumpt im Inneren immer weiter, ist ein Kraftwerk der Energie, hält den Kreislauf der Zerstörung in Bewegung. Doch diese Energie fordert ihren Tribut, nämlich die Abhängigkeit von Drogen, wodurch dieser Rauschzustand erst möglich ist.
Um diese Abhängigkeit geht es im Titelsong "Master Of Puppets". Hier tritt die höhere Macht (der Meister) in Erscheinung, welche den Protagonisten wie eine Puppe lenkt und beeinflusst. Die zuvor erwähnten leistungssteigernden Mittel haben jetzt die "Fäden in der Hand". Sie sind die Quelle seiner Selbstzerstörung, pumpen Angst durch seine Venen, fordern ihn auf, mehr zu probieren. Schließlich ist er süchtig danach, wie sie ihn umbringen. Sie okkupieren und verwirren ihn, verdrehen ihm den Kopf, zerstören seine Träume, blenden ihn. Die Nadel bahnt sich ihren Weg, er hackt sein Frühstück auf dem Spiegel zurecht und sein Leben, dass sich nur um den Tod dreht, nimmt nun wieder klare Züge an.
Weniger klar ist mir die Handlung von "The Thing That Should Not Be", dennoch konnte ich einige Informationen sichten. Das Lied handelt zwar auch von der Vereinnahmung des Verstandes, jedoch nicht durch Drogen oder pures Adrenalin. Es geht um Anhänger eines Kultes, welche ihre Individualität in den Hintergrund stellen, um im Kollektiv einer bestimmten Sache zu huldigen. Inspirieren lassen für diesen Song haben sich METALLICA von H.P. Lovecraft's "Schatten über Innsmouth", in welchem der Cthulhu-Mythos eine nicht unbedeutende Rolle spielt.
Wo die Zeit still steht, niemand diesen Ort verlässt und es auch nicht kann, davon handelt "Welcome Home (Sanitarium)". Die Figur in diesem Song befindet sich in einem Irrenhaus und wurde für geistig umnachtet befunden. Doch ist er das wirklich? Womöglich ist er nur so "verrückt", weil er hier festgehalten wird. Keine frische Luft, eingesperrt in einer Zelle und flüsternde Stimmen, die ihm versichern, er sei durchgedreht. Sie denken, sein Leben lege in ihren Händen und sagen: "Lasst ihn in Ketten, das ist gut für ihn, seht ihr nicht, dass es ihm schon besser geht?". Doch es liegt der Geruch von Aufstand in der Luft. Töten ist so ein nettes Wort, es scheint der einzige Weg, hier raus zu kommen.
Szenenwechsel. Wir befinden uns mitten auf dem Schlachtfeld. "Disposable Heroes" heißt im Kontext des Liedes übersetzt "Wegwerf-Soldaten". Einer dieser Soldaten erzählt seine Geschichte: Felder übersät mit Leichen und gefallenen Helden pflastern seinen Weg, blind rennt er über sie hinweg, denen der Tod anhaftet, rennt und kämpft bis zum bitteren Ende. 21 Jahre jung, hat seinem Land treu gedient, hat gelernt zu töten, nicht, sich zu kümmern. Er soll zurück an die Front, wenn sie sagen, dass er zurück an die Front soll. Er soll sterben, wenn sie sagen, dass er sterben soll. Er gehört nun Gevatter Tod ganz allein. Sein Leben war bereits geplant, noch bevor er geboren wurde. Wie hätte er da Einfluss nehmen können? Hatte keine Chance, sich selbst kennen zulernen. Jeden Tag wurde er mehr und mehr zum Soldaten geformt. Als er zurückblickt realisiert er, dass er nichts im Leben erreicht hat. Alleine wurde er auf dem Schlachtfeld zum Sterben zurückgelassen. Er umklammert seinen einzigen Freund im Leben: Seine Waffe.
Das Thema, welches "Leper Messiah" behandelt, hat keinen militärischen Bezug, ähnlich wie "The Thing That Should Not Be". Hier geht es um (vermeintlich) religiöse Gruppen, welche Kapital daraus schlagen, dass sie Leuten dass Blaue vom Himmel versprechen, solange sie genug bezahlen. Diese fallen wie ein Zirkus in der Stadt ein und der Clown in der Manege ist der Prediger. Er verbreitet seine Dogmen wie eine Krankheit. Hypnotisch predigt er den mental schwachen: "Gebt mir euer Geld, gebt mir die grünen Scheine und der Himmel wird euch begrüßen. Eine kleine Spende und ein besserer Platz dort oben sei euch gewährt!"
Man könnte aufgrund des Titels meinen, dass es in "Orion" ähnlich kosmisch hergeht, doch wo hat das instrumentale Stück eigentlich seinen Namen her? Wenn man es auf das Konzept der Okkupation bezieht, gibt es eine plausible Erklärung auf diese Frage. In der griechischen Mythologie war Orion ein riesiger und starker Jäger. Allerdings vermochten ihn seine Kraft und seine Größe nicht vor der Manipulation Dritter zu schützen. Klingt plausibel, nicht? Der tatsächliche Grund für die Namensgebung ist, dass die Musik die vier Jungs aus San Francisco ans Weltall erinnerte.
"Damage Inc." löst sich lyrisch von dem Konzept der Unterwerfung und richtet sich gegen Trends und Konformität. Die Puppe befreit sich sozusagen von den Fäden des Meisters. Der Charakter des Textes ist wütend und aufbrausend und geizt nicht mit Vulgärsprache. Dementsprechend wurde er umgesetzt. James Hetfield schmettert dem geneigten Hörer auf dem schnellsten Song des Albums entgegen, dass man nicht kniend leben, sondern stehend sterben soll. Dass der eigene Weg ein blutiger ist, wenn man sich nicht unterwerfen will, dass man seinem Instinkt und nicht einem Trend folgen soll. Dass man für die eigenen Überzeugungen brachial wie eine Dampfwalze vorgehen muss, wenn man diese durchsetzen will. Mitläufer und Widersacher werden wie Kaugummis gekaut und ausgespuckt, sie werden von uns ausgelacht während sie sich aufregen und rum zetern. Doch am Ende rennen sie vor Angst weg, denn sie wissen, wer wir sind. Damage Incorporated.
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