Liam Clewlow (Rory), Roughton Reynolds (Rou), Rob Rolfe, Chris Batten
In welche Schublade soll man das nur stecken, was die Engländer ENTER SHIKARI auf ihrem Debüt "Take To The Skies" auf die Menschheit loslassen? Techno Metal? Emo Trance Core?! Hard Euro Dancecore?!! Die Schublade, welche die Band nennt, ist zwar alles andere als neu - ich sage nur HORSE THE BAND - aber mehr als passend: Nintendocore. In der Tat fühlt man bei einigen Songs nostalgische Gefühle an die pixeligen 16 Bit-Zeiten in sich aufkeimen. Doch auch Assoziationen zu diversen Techno und Pop Hits aus den Neunzigern sind möglich. Mein Gott, teilweise könnte die Musik sogar auf den hiesigen Plastik Musik-Radiosendern gespielt werden, erinnert der Gesang der Jungs mit ihrem englischen Akzent an diverse Bands, die von "schwulen Studenten" gehört werden. Zwar habe ich dieses Zitat von Herrn Ferchichi dreist aus dem Zusammenhang gerissen, doch für meine Zwecke reicht es. Damit meine ich Bands wie MANDO DIO, THE HIVES, THE KILLERS und andere Bands, die mit einem Artikel anfangen und bei der die Band Opas Klamotten aufträgt.

Genug dieses diskriminierenden Geseires, schließlich geht es hier nicht um meine Aversionen gegen austauschbaren Indie Rock, sondern um "Take To The Skies". Und weil's so schön ist, sogar die Limited Edition mit DVD. Auf dieser ist neben Livematerial und einer Slideshow auch Backstage-Material zu bestaunen. Die äußere Hülle bildet ein schlichter, aber dennoch schicker Pappschuber. Hat man dieses ästhetische Hindernis überwunden, offenbart sich dem Blickfeld des Betrachters das Cover mit dem genialen Artwork von Keaton Henson. Dieses dient nicht nur als schmückendes Beiwerk der Texte, sondern hilft simultan auch noch, diese besser zu verstehen, beziehungsweise zu intensivieren. Bevor man all dies allerdings zu Gesicht bekommt, purzeln einem zwei Zettel mit Stickern entgegen (haben die Ausmaße der CD-Verpackung, mal so nebenbei). Da kriegt man doch mal was für sein Geld geboten, und das bei einem Debüt!
Im ersten Absatz habe ich bereits erahnen lassen, welche mannigfachen musikalischen Pfade ENTER SHIKARI bestreiten. Der Name stammt übrigens aus dem indischen und bedeutet ins Englische übersetzt "Enter The Hunter". Dieser Jäger ist ein Charakter, den Rou für ein Stück schrieb, noch bevor die Band existierte. Ein Charakter, welcher als Metapher für positive Aggressionen benutzt wird. Shikari ist die Hoffnung, die uns die Energie gibt weiter zu machen und uns nach dem Heilmittel für unsere Probleme jagen lässt. So die offizielle Erklärung der vier kurzhaarigen Inselbewohner. Zurück zur Musik. Der größte Kritikpunkt dürfte neben den Dance, Techno und Euro Dance Keyboard Klängen auch der Gesang sein. Manchmal brüllen alle vier aus vollem Hals eine Strophe, manchmal werden die gutturalsten Ebenen des Gutturalen betreten, manchmal schreit Rou aus vollem Hals und manchmal singt er. Das er dabei ab und zu etwas schief klingen mag, stört weniger. Eine Konstante hingegen auf "Take To The Skies" ist der englische Akzent. Wem diese beiden Sachen auf einer Metal, beziehungsweise Emo, Screamo oder meinetwegen auch Hardcore CD übel aufstoßen, der braucht hier nicht weiter zu lesen. Der Rest darf sich an meinen nachfolgenden Worten laben, oder kann ein Glas Wasser trinken gehen, je nachdem, wie es Mann/Frau beliebt.
Interessant ist, dass es eigentlich nur elf "richtige" Songs auf "Take To The Skies" gibt, welche wiederum von sechs unbetitelten Intermezzi aufgelockert/verlängert/unterbrochen werden. In fast jedem werden die Worte "And still we will be here, standing like statues!" gerufen/gegrunzt/geschrien. Das diese Zeilen eng mit der Handlung verbunden sind, darauf werde ich ausführlich (oh, oh...) im letzten Absatz eingehen. Diese Intermezzi sind zwar unterhaltsam, jedoch erachte ich die "richtigen" Songs als wichtiger. So zum Beispiel "Enter Shikari", welches mit dem zweimaligen Ausruf eines Fäkalwortes beginnt und dabei von dramatischen Trance Sounds untermalt wird, bis schwere Riffs zu einem Trancecore-Bastard erster Güte überleiten. Der Anfang von "Mothership" lässt vermuten, dass sich "Trance Dance Vol. 945325" im CD-Schacht befindet. Weit gefehlt, denn hier sind ENTER SHIKARI zugange und diese trumpfen erstmals mit klaren Gesangslinien auf, sowie deren Gespür für Spannungsaufbau in einem Song. "Anything Can Happen In The Next Half Hour" fängt zwar schmalzig an, wandelt sich aber zu einem tanzbaren (!) Metalsong mit hoher Breakdown-Dichte.
Ein so kitschiges Keyboard-Gedudel als Einleitung zu benutzen ist ganz schön mutig, kann sich aber "Labyrinth" leisten, nicht nur dank dem... nein, ich glaube, genau das macht den Song aus, obgleich der Tatsache, dass er einer der Schwächeren ist. In "No Sssweat" werden die Gehörgänge des Hörers mit hohem Tempo, Falsettgesang und Schimpfwörtern penetriert, während "Today Won't Go Down In History" die erste Ballade ist, die man auf "Take To The Skies" zu Gehör bekommt. Ein, für ENTER SHIKARI-Verhältnisse, spärlicher Einsatz von künstlichen Klängen und Breakdowns könnten für die ein oder andere Gänsehaut sorgen.
Im Gegensatz dazu fällt "Return To Energiser" über einen her und punktet mit einem wunderschönen, melodischem Refrain. Doch es wird noch besser, denn der Ohrwurm "Sorry, Your're Not A Winner" heimst sogar noch mehr Punkte durch genial platzierte Handclaps, ein markantes Riff und einen weiteren ausgefallenen Refrain ein. Nach diesem Hit-Doppelschlag sollte der Hörer sich allerdings auf unangenehmen Schmerz in der Gegend um das Trommelfell herum machen, denn "Johnny Sniper" wird mit Klängen eingeläutet, die selbst auf einer Kirmes seltsam klingen würden. Das geht glücklicherweise nur Anfangs so und wird später von ordentlich groovender Arbeit an den Instrumenten abgelöst. Nun wird es ernst. "Adieu" ist eine herzzerreißende Ballade, die aufgrund ihrer Ausgereiftheit in Bezug auf Klang und Text geradezu deplatziert wirkt. Ganz großes Kino, lediglich der zuvor erwähnte Akzent der Briten könnte dem ein oder anderen missfallen. Mit "Ok, Time For Plan B" sind wir beim letzten "richtigen" Song angekommen. Und der ist richtig "richtig". Da bleibt nicht viel mehr zu sagen: Gnadenlos guter Groove, abwechslungsreiches Songkonstrukt, himmlischer Refrain und abschließendes musikalisches abholzen.
Die Geschichte von "Take To The Skies" ist in ihrer Obskurität gleichwertig mit der Musik: Außerirdische entern unseren Heimatplaneten. Damit meine ich die Erde. Und wie es für Wesen aus einer anderen Galaxie so üblich ist, werden erstmal Homo Sapiens auf das Mutterschiff für experimentelle Zwecke hoch gebeamt. Oder doch nicht? Entführte berichten davon, sie hätten sich bei den vermeintlichen Invasoren sicher gefühlt, weil diese keine selbst bezogenen Individuen seien, die ihre Heimat zerstören wollen. Außerdem berichten sie davon, dass die Außerirdischen erzählt hätten, "die Antworten lagen schon immer auf dem Meeresbett". Wahrheit, oder Fiktion?
Schnitt. Wir befinden uns bei den Invasoren. Um genauer zu sein, bei zwei von ihnen. Ein unglücklich verliebtes Alien möchte seinem Gegenüber (auch ein Alien, logisch, oder?) seine Gefühle mitteilen, traut sich aber nicht. Schüchtern schaut es weg, wenn sich die Blicke kreuzen und lüstern wird das Objekt der Begierde beobachtet, wenn es den Blick abwendet. Solche Probleme kennt der Rest Belegschaft nicht, schließlich müssen sie sich um wichtigere Dinge kümmern. Nämlich ein menschliches Pärchen durch ein Labyrinth zu jagen. Diese diabolische Hatz wird von den Invasoren genauso ambitioniert wie ein Fußballspiel kommentiert, schließlich will jeder wissen, wie es um die Versuchskaninchen steht. Apropos Kaninchen. Wenn es ums essen geht, machen die Wesen aus dem All keine Gefangenen. Wenn man schon mal ein paar Erdenkinder an Board geholt hat, kann man diese auch gleich verspeisen. Jedoch herrscht Unmut an der Speisetafel: "Das machst Du jedes verdammte Mal! Kein Schweiß, keine Tränen, keine Schuld!" Tja, Menschen verspeisen will eben gelernt sein.
Zurück auf der Erde. Die Menschen holen zum Gegenschlag aus. Mithilfe von grinsenden Masken, die sie sich aufsetzen, können sie die gegnerischen Schilde in die Knie zwingen. Diesen Moment der Schwäche ausnutzend, schicken sie ihren besten Schützen los, um die außerirdische Brut zu vernichten. Johnny Sniper. Der lässt sich jedoch von der Schönheit der Natur hinreißen und verpennt somit seinen Auftritt. "Hey Johnny! So rettest Du die Welt!" Aufgrund seiner Unfähigkeit haben die Erdenbewohner die Faxen dicke, und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Nachdem sie diesbezüglich intensives Brainstorming betrieben haben, sind sie zu dem folgenreichen Entschluss gekommen, dass...
...es Zeit für Plan B ist: Keiner bewegt sich, alle warten, bis die Erde sich dreht, bis der Boden vor Erschütterungen erzittert. Schon als die Invasion begonnen hat, galt das Motto: "Und wir sind immer noch hier, stehen da wie Statuen!" Doch hat es geholfen? Sind womöglich gerade deswegen die Außerirdischen eingefallen? Vielleicht weil man nur tatenlos zusieht und alles mit sich machen lässt? Von Selbstzweifeln geplagt, nehmen die Erdlinge ihr Schicksal letzten Endes doch in die Hand und versuchen, die Erde selber zum drehen, sie selber zum erzittern zu bringen. Ausgang dieses Unterfangens? Ungewiss...
http://www.entershikari.com ::: http://www.myspace.com/entershikari
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